Deutungskämpfe um Gewalt
Die Projekte dieses Themenbereichs fokussieren, wie in Phasen des Übergangs um die Legitimität von Gewalt gerungen wird. Wie wird vergangene Gewalt dargestellt und verhandelt und wie mit (ehemaligen) Gewaltakteuren umgegangen? Entlang der zentralen Achsen von Zeit und Raum setzen soziologische und historische Forschung die europäische Ebene mit dem ‘globalen Süden’ in Bezug und bearbeiten vergleichend ihre gegenseitigen Einflüsse.
Die vergleichende Perspektive befördert eine multimethodische Herangehensweise, in welche Elemente aus der Kriegs- und Gewaltforschung sowie der Gewaltsoziologie und post/dekolonialen Ansätzen ebenso eingehen wie Ansätze zum Völkerrecht und den Internationalen Beziehungen. Dabei sollen lokale Fallstudien als Brennglas auf globale Phänomene dienen. Über den Zugang der Area Studies können dabei sowohl Fallstudien aus der unmittelbaren Region als auch aus dem globalen Süden miteinander verbunden werden.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt in diesem Themenfeld ist, wie koloniale Gewalt im Verlauf der Zeit einen Deutungswandel in lokalen Gesellschaften (hier: insbesondere Augsburg) erfährt. Etablierte Hierarchien von ‚globalem Süden‘ und ‚Norden‘ werden so immer wieder neu verhandelt, obgleich Herrschafts- und Machtstrukturen Narrativen der Vergangenheit zugrunde liegen und auch heute vorherrschendes Wissen über Konflikte und Gewalt strukturieren. Deshalb ist die Friedens- und Konfliktforschung selbst Teil und Akteur jener Deutungskämpfe, in denen etablierte eurozentrische Denkmuster in Frage gestellt werden und damit in besonderer Weise auf eine Verbindung historischer mit den sozialwissenschaftlichen Perspektiven angewiesen.
Ambiguitäten und Gewalt in der
Deutung aktueller Konflikte
PD Dr. Florian Kühn
Universität Bayreuth & Göteborg
Das Projekt beschäftigt sich mit Ambiguitäten und Gewalt in der Deutung aktueller Konflikte. Es fokussiert sich verändernde Wahrheitszuschreibungen und parallele Geltungen von Wahrheit im politischen Prozess. Ambiguitäten spielen eine konstitutive Rolle für Konflikte, indem Konkurrenz um Deutungshoheit und Vorherrschaft in der Konstruktion von Wissen balanciert werden müssen. Institutionalisierte Machtzentren verfügen dabei über andere Ausgangspositionen als oppositionelle, nichtstaatliche Gruppierungen. In der Konfliktdynamik spielen diese Machtressourcen eine wesentliche Rolle, weil sie darüber bestimmen, ob alternative Wahrheiten (nicht: alternative Fakten) bestehen bleiben oder mit einer anderen Deutung in Deckung gebracht werden können. Im extremen Fall einer Radikalisierung konkurrierender Deutungen kommt es zur Eliminierung einer alternativen Wahrheit, etwa durch Vertreibung oder Genozid. Das Projekt untersucht diese Zusammenhänge anhand von Fallstudien zu Afghanistan, Kolumbien und der Westsahara.
Deutungskämpfe durch Gewalt:
Fränkische Freicorps
Alexander Schwarz & Dr. Julia Eichenberg
Institut für Fränkische Landesgeschichte, Universität Bayreuth
Das Projekt beschäftigt sich mit der Rolle und Konzeption der fränkischen Freikorps im Kontext der Niederschlagung der Münchner Räterepublik am Ende des Ersten Weltkriegs. Von besonderem Interesse sind die gesellschaftspolitischen Deutungskämpfe um die kommende Staatsform nach dem Zerfall des deutschen Kaiserreiches.
Ziel der Studie ist – neben der regionalhistorischen Aufarbeitung – die Erforschung der Bedingungen und Folgen dieser Deutungskämpfe. Im Fokus steht dabei die Herausarbeitung der konkreten Rolle von Feindbildern. Neben der ideologischen Einstellung wird das hohe Maß an Brutalität, das von den paramilitärischen Einheiten ausging, historisch eingeordnet und im Kontext des Teilbereiches „Deutungskämpfe um Gewalt“ gedacht.
Die Rolle von Feindbildkonstruktionen und Gewalt sind spannende Aspekte gesellschaftspolitischer Wandlungsprozesse. Die Herausarbeitung ebensolcher Deutungskämpfe in der Konstitution der ersten deutschen Demokratie, kann als Basis für die Analyse und Erforschung aktueller Demokratiebewegungen und deren Widersacher dienen.
Deutungskämpfe in der
Kolonialität des Friedens
Christina Pauls, M.A. & Prof. Dr. Christoph Weller
Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Friedens- und Konlfiktforschung, Universität Augsburg
Das Projekt „Deutungskämpfe in der Kolonialität des Friedens“ nähert sich der Kolonialität des Friedens mit post- und dekolonialen Theorien und betrachtet deren Problematisierung durch soziale Bewegungen. Anhand ausgewählter Fallbeispiele von Interventionen, die kollektive Erinnerung an Kolonialismus im öffentlichen Raum herausfordern, wird untersucht, welche alternativen Wissensformen durch diese Deutungskämpfe hervorgebracht werden, wie mit ihnen umgegangen wird und welche Implikationen das für aktuelle Friedensverständnisse hat. Das Projekt knüpft daher an aktuelle Dekolonisierungsbestrebungen an und setzt diese in einen direkten Zusammenhang mit Frieden.