Deutungskämpfe um Friedensstrategien nicht-staatlicher Akteur*innen
Die Projekte dieses Themenbereichs untersuchen die unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Erfahrungen in der Zeit des Übergangs vom Krieg zum Frieden in Bezug auf nicht-staatliche Akteure. Wie wird in lokalen, nationalen und transnationalen Kontexten darum gerungen, was eigentlich dieser Krieg, diese Gewalt genau war, welche Folgen er/sie hatte – und welche Konsequenzen daraus für den Frieden zu ziehen seien?
Diese Deutungskämpfe sind durch unterschiedliche gesellschaftliche Akteur*innen geprägt. Gemeinsam fragen die Beteiligten insbesondere nach der Rolle nicht-staatlicher Akteur*innen und ihrer Suche nach den „Lehren des Krieges“. Dabei wird davon ausgegangen, dass das „Lessons learned“ geprägt ist von unterschiedlichen Voraussetzungen: von politischen, ideologischen und religiösen Prägungen und Erfahrungen, von transnationalen Vernetzungen und lokalen Konflikten, und dass dabei die Übergänge von Krieg zum Frieden stets umstritten bleiben, gerade auch im Versuch unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, eine neue (oder auch alte) Position im gesellschaftlichen Gefüge zu finden.
Das Themenfeld blickt dabei aus historisch-soziologischer Perspektive auf unterschiedliche zivilgesellschaftliche Kräfte und ihre transnationalen Verflechtungen: auf lokale Initiativen und Parteien, auf Opfergruppen und Überlebende, auf juristische Expert*innen, Menschenrechtsaktivist*innen, Unternehmen und die Rolle der christlichen Kirchen. Die unterschiedlichen Projekte profilieren die bislang in der Friedens- und Konfliktforschung zu gering geschätzten nicht-staatlichen Akteur*innen und verbinden unterschiedliche methodische Ansätze aus Geschichts- und Sozialwissenschaft. Zugleich sind alle Projekte transnational angelegt.
Politik der Versöhnung: Kirchen, Religion und Diktaturbewältigung nach 1945
Johannes Lehmann & Prof. Dr. Dietmar Süß
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte,
Universität Augsburg
Das Teilprojekt untersucht die Rolle nicht-staatlicher Akteure im Übergang vom Krieg zum Frieden. Es geht dabei vor allem um den Begriff und die politische Praxis der „Versöhnung“ als Teil der Konfliktbewältigung des Zweiten Weltkrieges.
Ein wichtiger Teil der Forschungen wird sich auch mit den christlich-jüdischen Beziehungen und dem Umgang mit den Erfahrungen der Massengewalt der Konzentrationslager beschäftigen. Dafür sollen vor allem das ehemalige Konzentrationslager und die Gedenkstätte Dachau untersucht werden – ein Ort, welcher von verschiedenen Konfessionen und gesellschaftlichen Akteuren als Ort des Gedenkens und der Versöhnung gesehen und genutzt wird.
Nürnberg und der Süden. Transatlantische Deutungskämpfe um Frieden und Gerechtigkeit
Dr. Daniel Stahl & Prof. Dr. Simone Derix
Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte, Universität Erlangen-Nürnberg
Nürnberg wurde im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit zu einer Chiffre für eine Friedensstrategie, in deren Mittelpunkt die strafrechtliche Aufarbeitung von Gewaltverbrechen stand, die im Zuge von Kriegen begangen worden waren. Dieses Projekt nimmt Bezugnahmen auf Nürnberg aus dem Globalen Süden am Beispiel Argentiniens in den Blick und macht sie zum Ausgangspunkt einer Untersuchung transatlantischer Wechselwirkungen im Zuge von Deutungskämpfen um Friedensstrategien.
Auf der einen Seite fragt es danach, wie die Berufung auf Nürnberg die Deutung der zurückliegenden Gewalterfahrung und des Übergangs zur Demokratie in Argentinien veränderte und welche konkreten Handlungsmuster unter Berufung auf das europäische Vorbild vorgeschlagen und umgesetzt wurden.
Auf der anderen Seite nimmt es den Wandel in Deutschland in den Blick, wo die Siegerjustiz-Interpretation ab den 1980er Jahren an Überzeugungskraft verlor und die Nürnberger Prozesse zunehmend als ein essenzieller Beitrag zur Befriedung Europas verstanden wurden. Welche Rolle spielten die Debatten Argentiniens in diesem Wandlungsprozess?
Verantwortung VON UNTERNEHMEN
für KOLONIALE Gewalt
Dr. Bret McEvoy, Dr. Julia Eichenberg, & Prof. Dr. Jana Hönke
Institut für Fränkische Landesgeschichte & Lehrstuhl Soziologie Afrikas, Universität Bayreuth
Von Staaten und Institutionen im Globalen Norden wird in der Öffentlichkeit zunehmend erwartet, dass sie sich mit ihrer (post-)kolonialen Geschichte auseinandersetzen und Wiedergutmachung leisten. Während sich das Interesse auch auf die Rolle von Unternehmen während bestimmter Gewaltepisoden und -epochen richtet, insbesondere während des Nationalsozialismus, erfuhr die Verantwortung von Unternehmen für (post-)koloniale Gewalt bisher weitaus weniger Aufmerksamkeit. Vor allem Waffenhersteller sind oft in der Lage, sich der Verantwortung zu entziehen, indem sie sich hinter Regierungen verstecken und eine Ausnahmerolle für ihre Industrie beanspruchen.
Dieses Projekt historisiert die Idee, Rüstungsunternehmen für (post)koloniale Gewalt (nicht) moralisch und rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. In Kombination zeitgenössischer historischer und sozialwissenschaftlicher Methoden sollen zentrale öffentliche Debatten über die private Herstellung und den Verkauf von Waffen in Großbritannien und Deutschland im vergangenen Jahrhundert nachgezeichnet werden. Ziel ist dabei, die (post-)kolonialen, rassistischen und geschlechtsspezifischen Dynamiken zu untersuchen, die die Basis für eine mögliche Rechenschaftspflicht der Branche in der Gegenwart bilden.