Die großen Herausforderungen des noch jungen Jahrtausends werden geprägt durch Konflikte, die oft Folge, aber auch Ursache krisenhafter politischer Entwicklungen sind. Globale Hegemoniekämpfe, zerfallende regionale Sicherheitsordnungen und nationale Eskalationsstrategien – oft unterfüttert durch Ethno-Nationalismus oder religiösen Fundamentalismen – führen zu multiplen Krisen und komplizierten Konfliktkonstellationen, die wissenschaftlicher Analyse bedürfen. Bürgerkriege und zwischenstaatliche Kriege sowie die hiermit oft zusammenhängenden Fluchtbewegungen, aber auch globale Probleme wie der Klimawandel und die damit verbundenen Transformationsprozesse induzieren ständig neue Konflikte mit teils erheblichem Eskalationspotenzial. Diese verlangen nach einem differenzierten und informierten Verständnis der zu Grunde liegenden Konfliktkonstellationen und Bearbeitungsmöglichkeiten. Isolierte Expertise zu einzelnen Themen, Konflikten oder Regionen ist nicht ausreichend für den Entwurf politisch relevanter, nachhaltiger Friedens- und Sicherheitsstrategien.

Eine interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung, die nicht nur die Ansätze aus Politik- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie zu integrieren vermag, sondern auch mit dem Wissen aus Recht und Geschichte, insbesondere Völkerrecht, Kriminologie und Zeitgeschichte zu verbinden in der Lage ist, scheint vonnöten. Dabei ist der Blick auf bereits eskalierte Konflikte genauso wichtig wie auf Konfliktkonstellationen, in denen bislang keine Gewalt sichtbar wurde, aber in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, sei dies auf regionaler, nationaler oder kommunaler Ebene. Die Erfolgsbedingungen gelingender Konfliktbearbeitung durch entsprechende Institutionen und rechtliche Verfahren zu kennen ist ebenso wichtig wie Eskalationsdynamiken zu identifizieren und präventive Eingriffsmöglichkeiten zu erforschen.

Bedarf an wissenschaftlicher Konfliktexpertise besteht in unterschiedlichsten Bereichen, doch die Friedens- und Konfliktforschung in Bayern ist bisher kaum vernetzt und zu nachhaltigen Forschungskooperationen in der Lage. Eine 2021 durchgeführte Abfrage an bayerischen Universitäten nach Einzelprojekten auf dem Feld der Friedens- und Konfliktforschung hat zwar das vielfältige, primär sozialwissenschaftliche Potenzial in der bayerischen Forschungslandschaft ans Licht gebracht, aber für die wissenschaftliche Zusammenarbeit fehlt es an Vernetzungsstrukturen und Initiativen, die eine Bündelung der Friedens- und Konfliktforschung in Bayern ermöglichen würden, um von den vorhandenen Stärken zu profitieren.

Der seit April 2022 vom BMBF finanzierte bayerische Forschungsverbund, der sich interdisziplinär mit „Deutungskämpfen im Übergang“ beschäftigt und zudem zur Institutionalisierung der Kooperation in der bayerischen Friedens- und Konfliktforschung beitragen will, möchte die im Oktober 2021 bei einer Veranstaltung im Bayerischen Landtag begonnene Vernetzung weiterführen und intensivieren. Dafür findet in Augsburg am 2. und 3. Februar 2023 ein erster thematischer Workshop mit Fokus auf die interdisziplinäre Konfliktforschung in Bayern statt, bei dem laufende und geplante Projekte präsentiert werden sollen, die sich den oben beschriebenen (auch konflikt-theoretischen) Herausforderungen widmen und im besten Fall bereits interdisziplinär und kooperativ ausgerichtet sind.

Mit diesem Call bitten wir um Beitragsvorschläge zur Mitwirkung an diesem Workshop in Form von kurzen Abstracts, welche die Projekte skizzieren, die beim Workshop in einem 10-minütigen Impuls präsentiert werden sollen. Neben der Diskussion der verschiedenen Impulse bietet der Workshop insbesondere Raum zur themenspezifischen Vernetzung und Koordination für die Zusammenarbeit verschiedener Standorte, Disziplinen und Perspektiven im Hinblick auf die weitere Vernetzung der Friedens- und Konfliktforschung in Bayern.

Der Workshop wird organisiert vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg (Prof. Dr. Christoph Weller). Ihre Abstracts schicken Sie bitte bis spätestens 1. Dezember 2022 an Dr. Michaela Zöhrer: michaela.zoehrer@uni-a.de

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