Bericht von Rachel Owusu & Jan Sändig (Universität Bayreuth)

Angesichts der Kampfhandlungen in der Ukraine, darunter die Zerstörung des Kachowka-Staudamms, drang ein oft vernachlässigtes, jedoch hochrelevantes Thema zuletzt mehr in das öffentliche Bewusstsein: Die Umweltfolgen von Kriegen. Von besonderem Interesse ist dabei, welche Rolle die Umwelt in der Friedenspolitik spielen kann und sollte.

Zu diesem Thema referierte Prof. Benno Fladvad vom Geographischen Institut der Universität Hamburg am 23.1.2024 in der Reihe „Bayreuther Friedensgespräche.“ Die Veranstaltung war zugleich Teil der Ringvorlesung „Räume des Krieges“ des Geographischen Instituts der Uni Bayreuth, organisiert durch Prof. Martin Doevenspeck. PD Dr. Florian P. Kühn moderierte den Vortragsabend.

Die „Bayreuther Friedensgespräche“ werden vom Lehrstuhl für Soziologie Afrikas organisiert, verbunden mit dem neuen UBT Netzwerk für Friedens- und Konfliktforschung und dem Forschungsverbund „Deutungskämfe im Übergang.“ In dieser Veranstaltungsreihe beleuchten Gäste aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft die Ursachen und Zusammenhänge politischer Konflikte sowie Möglichkeiten für Friedenskonsolidierung.

Vortrag

Benno Fladvad thematisierte in seinem Vortrag das Zusammenwirken von Ökologie und Friedenspolitik im Zeitalter des Anthropozäns. Im Mittelpunkt stand eine planetarische Perspektive, die die Wechselwirkungen zwischen sozialen, ökologischen und geologischen Dynamiken betont und über menschliche Zeitskalen hinausgeht. Die beiden Weltkriege und die Entwicklung von Nuklearwaffen waren wesentliche Schritte hin zum Anthropozän, in dem der Mensch zum maßgeblichen Faktor für Umwelt und Klima geworden ist. Insbesondere Naturwissenschaftler*innen konstatierten dies erstmals mit Blick auf Atomwaffentests im Pazifik, die u.a. Teile der Marshallinseln unbewohnbar gemacht haben.

Zahlreiche Altlasten gehen aus diesen Kriegen des 20. Jahrhunderts hervor. Allein in der Nord- und Ostsee lagern schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen konventionelle Munition und 5.000 Tonnen chemische Kampfstoffe. In der Umweltkriegsführung geht es sogar gezielt darum, die Umwelt zur Erreichung militärischer Ziele zu zerstören, etwa durch Beschuss von Wäldern, Ackerland und Wasserinfrastruktur.

Da Kriege immer auch ökologische Auswirkungen haben, müssen Umwelt- und Friedensinitiativen eng verknüpft werden

Kriegsführung ist zudem ein erheblicher Faktor für den Klimawandel geworden. Das Militär verursacht ca. 5,5% des globalen CO2-Ausstoßes/Jahr. Zugleich sind militärische Interventionen mit der Aufrechterhaltung von Gesellschaftsmodellen verbunden, die auf fossilen Energieträgern basieren. Aber auch Maßnahmen zum Klimaschutz, darunter der Ausbau erneuerbarer Energien, führen zu Konflikten.

Umweltfolgen sind auch beim Krieg gegen die Ukraine deutlich: Schätzungen zufolge wurden bisher 440.000 Hektar Naturlandschaften und 20% der Naturschutzgebiete zerstört. Gleichzeitig werden weitreichende globale Auswirkungen spürbar, darunter Verzögerungen in Getreidelieferungen, was die globale Ernährungssicherheit beeinträchtigt, und steigende Düngemittelpreise.

Abschließend plädierte Benno Fladvad dafür, dass ein politisches Verständnis nötig ist, dass Kriege immer auch ökologische Auswirkungen haben – kurzum, es geht darum, Umwelt- und Friedensinitiativen eng zu verknüpfen.

Diskussion

Die anschließende Diskussion drehte sich zunächst um historische Beispiele der Umweltkriegsführung. Benno Fladvad wies auf die Verbreitung von Krankheitserregern durch Kolonialmächte hin, woran weite Teile der indigenen Bevölkerung Südamerikas starben. Auch kam die Frage nach den juristischen Möglichkeiten, Umweltverbrechen zu verfolgen, auf. Hier beobachtet Benno Fladvad, insbesondere durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms, ein politisches Momentum in Europa, um „ecocide“ als Verbrechen rechtlich zu verankern. Im Feld der legal geography sieht Benno Fladvad zudem Chancen für Geograph*innen, relevantes Wissen für ein solches juristisches Vorgehen zu generieren.

Schließlich stand zur Diskussion, wie eine umweltorientierte Friedensbewegung Einfluss im politischen Raum gewinnen kann, wenn zugleich kein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine absehbar und Aufrüstung zum politischen Konsens geworden ist. Benno Fladvad zeigte sich in diesem Zusammenhang kritisch hinsichtlich laufender Bestrebungen nach „grüner Aufrüstung“ und „grünen Waffen“, was er als inhärent widersprüchlich betrachtet.

(Foto von Jan Sändig, Universität Bayreuth)

Categories:

Navigation